Georgica e. V.
Deutsch-Georgischer Verein für Kultur und Bildung, Frankfurt am Main


Georgien-Veranstaltungen 2024 in Rhein-Main


21:00 Uhr hr TV-Reportage „Georgien – ein halbes Leben in Tuschetien“

Datum:07.11.2024
21:00

Dokumentation, D 2020, 45 Minuten, Regie:
Julia Finkernagel


Alljährliche Rückkehr in die höchsten Dörfer Europas
Kein Strom, kein WLAN – aber ganz viel Herz.

Wenn der Schnee schmilzt, machen sich die Hirten und ihre Familien auf den langen und harten Weg zurück in ihre Bergdörfer. Nur eine Straße führt nach Tuschetien im Nordosten Georgiens. Ein Dreivierteljahr haben sie im Tal oder in der Hauptstadt Tiflis „überwintert“. Die Doku begleitet den Tuschen Suliko und seine Familie. Ehefrau Marina schwärmt: „Hier oben sät sich Liebe aus.“ (Senderinfo)



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Jörg Stadelbauers Länderkunde „Georgien“

Man merkt von der ersten bis zur letzten Seite die Sorgfalt und Gelehrsamkeit, mit der das Buch entstanden ist. Gespeist aus einem umfangreichen Wissen und persönlichen Reisen durch Georgien über Jahrzehnte, ist ein sehr detailreiches Grundlagenwerk entstanden. Der Autor blickt auf ein Berufsleben als Geografie-Professor zurück, und zwar im Sinn der traditionellen Landeskunde. Jörg Stadelbauer selbst thematisiert an zwei Stellen in seinem Werk, dass die Länderkunde ja seit einigen Jahrzehnten etwas aus der geografischen Mode gekommen sei. Lohnt sich das umfangreiche Werk?
Ja. Eine Besonderheit stellen die vielen Fotografien dar, die Jörg Stadelbauer zwischen 1975 und 2022 in Georgien aufgenommen hat. Die konsequente Angabe von Aufnahmemonat und -jahr bei jedem Foto unterstreicht den dokumentarischen Zweck der Aufnahmen. Die Motive entsprechen ganz und gar der Breite dieser großen Landeskunde: nicht nur architektonische Fotos, die doch in Reiseführern und Kunstgeschichtsbänden zu Genüge dargeboten werden. Nein, die Fotografien von Jörg Stadelbauer bieten viel mehr. Etwa nostalgisch: Sukhumi als Tourismusdestination im August 1975, spektakulär: von einer Mure verschüttete Viehhütte an der Georgischen Heerstraße im August 1989 oder Erdbebenschäden an einem älteren Backsteinhaus in Tiflis, fotografiert im September 2019. Speziell die Landschaftsaufnahmen entfalten in dem kleinen Format, in dem sie wiedergegeben sind, nicht ihr volles Potenzial. Diejenigen Fotos, die über beide Seiten dieses technisch sehr ordentlichen Druckwerks erscheinen, wirken umso eindrücklicher, etwa die Flüchtlingssiedlung bei Tserovani, fotografiert kurz nach Fertigstellung im September 2010.
Für mich persönlich liegt der Reiz hier in einer profunden Landeskunde mit Fokus auf solchen Themen, die mich besonders interessieren, nämlich Erdkunde, Wirtschaft und Geschichte. Der kulturelle Teil hätte umfangreicher ausfallen dürfen. Dafür ist bezeichnend, dass die Beiträge zu georgischem Theater und Tanz schlicht vergessen wurden. Es hätte mich interessiert, kulturelle Fragestellungen einmal aus geografischer Sicht beleuchtet zu sehen: Gibt es außerhalb der Hauptstadt ein Verlagswesen, einen Kino- oder Literaturbetrieb? Immerhin mag ich es, dass die Kulinarik überhaupt in einen Kapitel-Zusammenhang mit den üblichen Sparten der Hochkultur gestellt wird; ich halte das für angemessen.
Das Lektorat bis hinein in den Endnotenapparat ist gründlich; die Wiedergabe georgischer Personen- und Ortsnamen in lateinischen Buchstaben ist halbwegs unaufdringlich.

Jörg Stadelbauers: „Georgien – Geographie. Geschichte. Wirtschaft“, ISBN 978-3-7520-0792-3, Reichert-Verlag 2024, 524 Seiten, Buchpreis 98 Euro


Georgische Kulturtage in Frankfurt im Oktober 2023

Unser Verein hat im Herbst 2023 Georgische Kulturtage in Frankfurt am Main veranstaltet. Auf dem Programm standen ein Konzert mit klassischer georgischer Musik am 30. September, ein Festival der Georgischen Schulen am 7. Oktober, ein Inklusions-Workshop am 5. Oktober, Vorträge am 4. und 10. Oktober, eine Lesung am 21. Oktober und viele Gelegenheiten für Georgier:innen und Georgien-Freunde im Rhein-Main-Gebiet, ins Gespräch zu kommen.

Ehrenamtskarte des Landes Hessen für Lehrerinnen der Georgischen Schule

Am 25. Mai 2023 wurde drei Lehrerinnen unserer Georgischen Schule – Maia Shavliashvili, Nino Khalvashi-Wirth und Mzia Tsiklauri – in der Frankfurter Paulskirche die Ehrenamtskarte des Landes Hessen vom Oberbürgermeister Mike Joseph überreicht. Sie werden dadurch für jeweils mehrjährige ehrenamtliche Tätigkeit für die Georgische Schule ausgezeichnet.

 

Verleihung der Carl-Zuckmayer-Medaille an Nino Haratischwili

Am 18. Januar 2023 hat Malu-Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Nino Haratischwili die Carl-Zuckmayer-Medaille. Die Laudatio wurde von Maia Panjikidze, der ehemaligen Außenministerin von Georgien, gehalten. Maia Panjikidze erzählte, dass sie an der georgischen Botschaft in Bonn arbeitete, als sie Nino Haratischwili zum ersten Mal traf, die damals als Schülerin der Sechsten Schule aus Tiflis nach Bremen gekommen war. Später gründete Nino Haratischwili in Tiflis die Mädchen-Theatergruppe „Fliedertheater“. Maia Panjikidze arbeitet heute als Übersetzerin und hat Nino Haratischwilis aktuelles Buch „Das mangelnde Licht“ ins Georgische übersetzt. Sie begreift den Übersetzungsvorgang in Nino Haratischwilis Muttersprache auch als „Rückkehr der Autorin und ihrer Protagonisten nach Hause“.

Der Georgien-Platz in Eppelheim

Am 14. September 1991 wurde in Eppelheim ein neu gestalteter Platz der Öffentlichkeit durch den damaligen Bürgermeister Hugo Wiese und Ilia Khimshiashvili übergeben. Zahlreiche Eppelheimer und georgische Gäste waren bei dem Eröffnungsfest anwesend. Ein fünfarmiger Kandelaber, eine Bank und gusseiserne Papierkörbe aus Georgien zieren seit über 30 Jahren den Platz, der seit Ende 1991 auch offiziell den Namen Georgienplatz trägt.

Am 11. Juli 2021 hat eine Delegation unseres Vereins den Georgienplatz besucht und dort die jetzige Bürgermeisterin Patricia Rebmann, den Ratsherren Martin Gramm und Nino Khimshiashvili, die Tochter des Initiators des Georgienplatzes, getroffen.
Am 25. März 2023 wurde dann die Informations-Tafel mit einem Festakt eingeweiht, die über die Entstehung des Platzes informiert. Georgica e. V. hat die Übersetzung und das Design der Informations-Tafel gesponsort. MEHR LESEN.

Sommerkonzert am 28. Mai 2022

Sommerkonzert der Georgischen Schule Frankfurt anlässlich des georgischen Unabhängigkeitstages am 26. Mai. Schüler, einige Ehemalige, die Lehrerinnen Maia Shavliashvili und Mzia Tsiklauri sowie Davit Gabelia (Panduri und Salamuri) und Nino Khalvashi-Wirth (Klavier) haben ein buntes Potpourri von georgischen und ukrainischen Liedern und Gedichten vorgetragen. Die Eltern haben ein Buffet georgischer Speisen und Kuchen aufgebaut; die Erlöse dieses Festes gehen an ukrainische Flüchtlinge im Rhein-Main-Gebiet. Zu Gast waren auch 15 ukrainische Flüchtlinge aus Mainz, die in der Integrationsklasse von Mzia Tsiklauri sind, Frau Victoriia von Rosen, die in Frankfurt Hilfe für Ukrainer organisiert, sowie Frau Konsulin Tamta Kintsurashvili.

Hochwertiges Instrument für Flötenschülerin des Paliaschwili-Musikgymnasiums

Tamar Daraselia (Foto) aus Tiflis, Flötenschülerin der 12. Klasse am Paliaschwili-Musikgymnasium, hat im Februar 2022 von ihrer Lehrerin Prof. Meri Zhvania eine vollsilberne Tomasi-Querflöte für ihre weitere Karriere überreicht bekommen. Ermöglich hat den Erwerb der hochwertigen Flöte in Zell am See (Österreich) das Ehepaar Dr. Katharina Höpken-Peters und Dr. Peter Peters aus Velbert in Kooperation mit dem Flötisten Dimitry Stavrianidi und Georgica e. V.

Bereits im Juli 2021 unterstützen wir zum ersten Mal den Otar-Taktakishvili-Musikwettbewerb durch die Stiftung eines Preisgeldes.

Benefizkonzerte für ein Waisenhaus

Bereits seit 2006 veranstaltet die Lehrerin unserer Georgischen Schule Nino Khalvashi-Wirth Benefizkonzerte für Georgien. Die letzten beiden Konzerte für die Schüler und Familien der Klavierklasse fanden am 24. Juni 2023 zum Thema „ანარეკლები /  Reflexionen“ und am 9. Dezember 2023 mit Kompositionen des jungen Wolfgang Amadeus Mozart als Weihnachtskonzert statt. Das nächste Benefizkonzert von Nino Khalvashi-Wirth wird im Juni 2024 stattfinden.

Bei mehreren Benefiz-Veranstaltungen, durch viele kleine Spenden und großzügige Spenden, unter anderem von der Deutsche Bahn Stiftung und von Geschäftsleuten aus Eschborn und Tiflis, haben immer wieder Spenden für gemeinnützige Zwecke in Georgien gesammelt. Das Geld haben wir übergeben:

1.) an Bischof Isaia für Kulturunterricht in Nikosi

2.) an Mutter Barbare (Foto) für Kinderfreizeiten in Ratscha für Waisenkinder.

Spenden, die direkt ankommen ohne jede Verwaltungskosten! Beide Projekte besuchen wir auf unsere eigenen Kosten jedes Jahr. Auch 2023 und 2024 nehmen wir gern Spenden für die beiden Einrichtungen entgegen oder informieren Sie einfach über deren Aktivitäten. Schreiben Sie uns!

Am 21. November 2021 konnten wir in Kooperation mit dem Internationalen Theater Frankfurt, dem Generalkonsulat von Georgien, der ZAV Köln und unter der Schirmherrschaft von Frau Dr. Ina Hartwig, Dezernentin für Kultur und Wissenschaft, über 150 Gäste zu einem außergewöhnlichen Konzert begrüßen. „Georgier helfen, wie sie können“, sagte Generalkonsul Levan Diasamidze in seiner Rede, „und Georgier können gut singen“.

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Bei diesem Benefizkonzert zu Gunsten des völlig zerstörten Kindergartens in Ahrweiler haben georgische Sänger aus deutschen Opernhäusern Arien aus den bekanntesten Opern der Welt, Neapolitanische Lieder und Lieder aus ihrer georgischen Heimat vorgetragen.
Standing Ovations waren Ausdruck eines dankbaren Frankfurter Publikums für diese hoch professionelle und gleichzeitig das Herz rührende Gesangskunst. Ein großes Dankeschön an das Team vom ITF und an die Musiker: Khvicha Khozrevanidze, George Ziwziwadze, Lasha Ziwziwadze, Aslan Diasamidze, Bondo Gogia, Irakli Silagadze, Mamuka Manjgaladze, Giorgi Davitadze, Paata Sukhitashvili, Georgi Aleksandria, David Chkonia. Begleitung: Carsten Bowien und Ulrich Zippelius. Künstlerische Organisation: Ursula Jochmus
Mehrere Tausend Euro an Spendengeldern wurden bei diesem und einem ähnlichen Konzert in Bonn gesammelt. Am 12. Dezember 2021 wurden die Spenden feierlich auf dem Marktplatz von Ahrweiler übergeben.

Buchprämie für neue Mitglieder

Werden Sie 2024 unser Vereinsmitglied, und wir begrüßen Sie mit einer hochwertigen Buchprämie (H.-G. Lindner / Z. Tsertsvadze: Werte Georgiens, Mitteldeutscher Verlag, Ladenpreis 30,- €).

Drucken Sie einfach den Mitgliedsantrag aus, füllen ihn aus und schicken ihn uns per E-Mail oder Post.
Die reguläre Mitgliedschaft kostet 30,- € pro Jahr und ist steuerlich absetzbar. Bei Fragen schreiben Sie uns gleich eine Nachricht.

Georgica ist Partner von goEast 

Unser Verein Georgica e. V. ist auch 2024 Partner des Filmfestivals goEast: Wir haben die Deutschlandpremiere des neuen georgischen Spielfilms „Citizen Saint“ (Originaltitel მოქალაქე წმინდანი) der Regisseurin Tinatin Kajrishvili in der Caligari Filmbühne am 28. April 2024 gesponsort. 
Im April 2022 wurde die georgische Regisseurin Lana Gogoberidze vom Filmfestival goEast in einer Hommage geehrt. Der Verein Georgica e. V. hat ihr zu Ehren einen Empfang im Pariser Hof in Wiesbaden veranstaltet. Lana Gogoberidze (Foto: 3. v. l.) war zusammen mit ihrer Tochter Salomé Alexi (3. v. r.) und Enkelin Anna (2. v. l.) dort. Zuvor hatte Gaby Babic (Foto: rechts) von der Kinothek Asta Nielsen ein Gespräch moderiert. Am 6. September 2021 haben wir einen Crash-Sprachkurs im Anschluss an die Vorführung des Filmes 
„REZO“ (Regie Leo Gabriadze, 2017, 62 Minuten) ausgerichtet.


Beim Paneuropäischen Picknick am 19. September 2020 auf dem Luisenplatz in Wiesbaden haben wir einen Info-Stand zum Thema Georgien aufgebaut. Dabei haben wir über Georgiens Geschichte und touristische Ziele informiert, wir haben Wein angeboten und den Gästen gezeigt, wie ihr Name auf Georgisch geschrieben wird. An unsere Info-Stand haben wir unter anderen den Oberbürgermeister der Stadt Wiesbaden Gert-Uwe Mende (Foto: links), den damaligen Generalkonsul von Georgien Levan Diasamidze und die Leiterin des goEast Film Festivals Heleen Gerritsen sowie die Geschäftsführerin des Kulturfonds Frankfurt Rhein-Main Karin Wolff empfangen. 




 


Hans-Günther Grigoleit / Hannes Wirth: „Georgien und Deutschland – eine lange Liebe“, ISBN 978-3-8440-8175-6, Shaker Verlag November 2021, Buchpreis 36,80 Euro. Erhältlich in allen Buchhandlungen und im Internet. MEHR LESEN


Zu modernen Ikonen der georgischen Avantgarde sind sie in den letzten hundert Jahren geworden: die Bilder Niko Pirosmanis. Seine deprivierten Lebensumstände und die daraus resultierenden heutigen Ungewissheiten über Pirosmanis biografische Details sind legendär und motivieren wohl Übersetzer und Verlag in der Wahl des deutschen Buchtitels „Der Mythos Niko Pirosmani" (Originaltitel დაკარგული უბრალოების ძიება, 2010). Ein Beispiel der biografischen Ambiguität: Der Autor Giorgi Kakabadse hält 1866 für das wahrscheinlichste Geburtsjahr, auf seinem Bucheinband wird 1865 genannt; das Georgische Nationalmuseum und die Nationale Parlamentsbibliothek geben 1862 an, und 1862 dürfte auch der herrschenden Meinung entsprechen. Eben einem Mythos angemessen.

Noch stärker als in vorliegenden deutschsprachigen Werken über Pirosmani (etwa den Bildband aus dem Leningrader Aurora-Kunstverlag 1983) schildert der Autor Giorgi Kakabadse Anekdoten und - wie schon der Untertitel der deutschen Auflage verspricht - Kuriositäten aus dem Umfeld des Künstlers. Und das war das Tiflis in seiner vielleicht interessantesten Zeit, um die Jahrhundertwende.

Giorgi Kakabadse: „Der Mythos Nikos Pirosmani“, ISBN 978-3-95490-499-0, Reichert-Verlag September 2021, Buchpreis 29,95 Euro

Besuch in Nikosi an der Grenze zu Zchinwali und in Tserowani

Am 23. Juli 2019 waren Vertreter des Vereins Georgica e. V. im Kloster Nikosi und haben die Okkupationslinie in Sichtweite der Stadt Zchinwali im besetzten Teil Georgiens besichtigt. Wir haben Interviews mit Jugendlichen aus Nikosi geführt.
Wir haben auch die Siedlung Tserowani besichtigt, wo seit 2008 georgische Binnenflüchtlinge aus der besetzten Region Zchinwali untergebracht sind.
Am 22. August 2019 haben wir in einem Kurzvortrag in den Räumen des georgischen Generalkonsulats darüber berichtet.

Georgien in den Schönsten Sagen des Klassischen Altertums

In welchem deutschen Haushalt stehen sie nicht: Gustav Schwabs Schönste Sagen des Klassischen Altertums, seit den 1830-er Jahren schnell zur am weitesten verbreiteten Sammlung antiker Mythen im deutschsprachigen Raum geworden.

Einige der bekanntesten Stoffe der griechischen Mythologie – Prometheus, das Goldene Vlies, Jason und Medea – sind im heutigen Georgien zu verorten. Die Ortsbezeichnung Georgien erscheint in Schwabs gesamtem Werk kein einziges Mal und wäre auch anachronistisch, da der Ländername erst lange nach der Antike aufkam. (1)  Vielmehr benutzt Schwab dieselben topografischen Begriffe – Kaukasus und Kolchis – wie die von ihm wiedergegebenen antiken Autoren Aischylos, Strabon, Apollonius Rhodios. Wir gehen im Folgenden der Frage nach, inwiefern der zeitgenössische Leser diese Begriffe mit dem modernen Georgien überhaupt verknüpfen kann.

Prometheus – geschmiedet an die Felsen des Kaukasus

Die Prometheus-Sage, gleich am Anfang von Schwabs Sammlung, kann ohne Nennung des Kaukasus gar nicht erzählt werden. Der Titanensohn Prometheus erschafft die Menschen aus Ton und vermittelt ihnen gewisse zivilisatorische Fertigkeiten. Bei einem Tieropfer hält er die guten Teile des Opfertieres unter Eingeweiden für sich zurück und präsentiert den Göttern die Knochen unter glänzendem Fett; damit bringt er die Menschen dazu, bei Opfern die besten Teile des Fleisches für sich zu behalten. Als Strafe dafür will Zeus ihnen das Feuer vorenthalten, das jedoch Prometheus den Menschen prompt bringt. Daraufhin lässt Zeus Pandora (die Allbegabte), deren Gaben unglücksbringend sind, auf die Menschheit los. Und Prometheus? Nicht an irgendein Gebirge der in der Antike wohl bekannten mittelmeerischen oder mitteleuropäischen Welt lässt Zeus Hephaistos ihn schmieden, sondern an einen Felsen im Kaukasus, dieses ungeheure Gebirge am Rande der damals bekannten Welt. Dort frisst ein Adler dem Prometheus täglich ein Stück der Leber weg, die regelmäßig nachwächst.

In Georgien selbst existiert das analoge Amirani-Epos aus vorchristlicher Zeit. Amirani, Sohn einer Göttin, glaubt die Götter besiegen zu können und – wird zur Strafe an einen Felsen im Kaukasus geschmiedet. Spätestens seit Akaki Zeretelis Gedicht Amirani 1883 findet eine Analogisierung zwischen Prometheus und Amirani statt. In den 1930er Jahren nimmt dann die georgische Dichtung, die in diesen Jahren der Verherrlichung Stalins verpflichtet ist, das Prometheus-/Amirani-Motiv auf als Symbol für Stalins Größe.

Man darf davon ausgehen, dass die deutschen Schwab-Leser im 19. und 20. Jahrhundert die topografische Angabe Kaukasus als das Gebirge zwischen Europa und Asien lokalisieren können.

Die Fahrt der Argonauten und die Sage vom Goldenen Vlies

In deutlich geringerem Umfang dürfte diese Lokalisierung für die Angabe Kolchis im Sinne von Westgeorgien erfolgen, selbst wenn Schwab vom „Land der Kolcher an der Küste des Schwarzen Meeres“ mit der Hauptstadt Kytäa schreibt und den Kaukasus sowie den antiken Namen des Flusses Rioni, Phasis, anklingen lässt. Und: Es gehört kaum zum allgemeinen Bildungskanon, dass das Ziel der Argo-Schiffer um Jason überhaupt die Kolchis darstellte. Das Bild von den Argonauten und dem Goldenen Vlies, dessen Erringung Jasons Fahrt gilt, ist demgegenüber bis heute sehr lebendig. Dazu tragen neben unzähligen Bearbeitungen des Stoffes in Bildender Kunst, Musik und Kultur (2) auch die Verwendung dieses Widderfells in den Habsburger Orden vom Goldenen Vlies bei.

In unserer Zeit findet sogar wieder eine explizite Verknüpfung zwischen dem Motiv des Goldenen Vlies und dem Land Georgien statt, wenn etwa in Reisereportagen wiederholt die romantisierende Behauptung vorgetragen wird, man habe ernsthaft noch bis vor Kurzem mit Widderfellen Gold aus georgischen Gebirgsbächen gewonnen. Tatsächlich erscheint dies absurd: Wenn Widderfelle besser geeignet wären als Waschpfannen, um das Gold mit seinem hohen spezifischen Gewicht aus Wasser und Geröll zu waschen, würden sie weltweit zur Gewinnung von Flussgold eingesetzt und nicht nur in georgischen Gebirgsbächen.

Medea

Medea schließlich wird als die Hexe und Zauberin der griechischen Mythologie – nebst ihrer Tante Kirke – und Mörderin ihrer eigenen Kinder wahrgenommen; ihre sagenhafte Herkunft als Tochter des kolchischen Königs Äetes wird kaum erinnert.

Schon in der Antike gibt es unzählige Fassungen des Medea-Mythos. Es ist ihnen gemein, dass Medea sich in Jason verliebt, ihm ein schützendes Zaubermittel gibt und eine List verrät, um die aus gesäten Drachenzähnen erwachsenen Krieger zu verwirren. Dann raubt Medea von ihrem Vater das Goldene Vlies, heiratet Jason und flieht mit ihm nach Griechenland. Dabei bringt sie auf jeden Fall ihren sie verfolgenden Bruder um – und in späteren Fassungen des Mythos sogar ihre Kinder, so auch bei Schwab.

Dieser dramatische Stoff gehört von der Antike bis zur Neuzeit zu den bekanntesten der Weltliteratur. (3)  Aus den Darstellenden Künsten sei hier nur beispielhaft hingewiesen auf Pier Paolo Pasolinis Film Medea von 1969, in der Titelrolle besetzt mit Maria Callas, die bereits die Medea in Cherubinis gleichnamiger Oper gesungen hatte.

Interessieren dürfte hier noch, dass Medea in Georgien – und im Wesentlichen nur hier – nach wie vor ein weiblicher Vorname ist; offensichtlich überwiegt nicht das Grauen vor ihrer Gestalt. (4)

Fußnoten

(1) Vergleiche beispielhaft hierzu Zaal Andronikashvili / Emzar Jgerenaia / Franziska Thun-Hohenstein: Landna(h)me Georgien, Seite 8, Berlin 2018. Vergleiche dort ab Seite 55 auch sehr ausführlich zur kulturellen Semantik des Kaukasus – also weit übers Topografische hinausgehend – freilich eher in russisch-imperialer Rezeption, die dem Leser in Deutschland im 19. Jahrhundert in begrenztem Umfang über die russische Literatur und Nachrichten bekannt gewesen sein wird

(2) Rainer Slotta in: Georgien – Schätze aus dem Land des Goldenen Vlies, Ausstellungskatalog Bochum 2002, Seite 199

(3) Vergleiche noch einmal Rainer Slotta in: Georgien – Schätze aus dem Land des Goldenen Vlies, Ausstellungskatalog Bochum 2002, ab Seite 200

(4) Dass die georgische Populärkultur die Herkunft des Ausdrucks Medizin auf Medea zurückführen möchte, sei hier nur in einer Fußnote vermerkt